Reden wir erneut über den Ukraine-Konflikt. Allerdings weniger über das Geschehen vor Ort selbst, sondern über die Konsequenzen des Krieges hier bei uns. Dass Gas knapp ist und die Energiepreise durch die Decke gehen, ist uns allen in den letzten Wochen schmerzlich bewusst geworden. Aller Voraussicht nach wird es im Herbst und Winter noch mehr weh tun, wenn Gas nicht nur teurer, sondern auch Mangelware werden könnte. Und mit dem Gaspreis werden auch die Preise für Heizöl, Pellets und letztendlich auch Strom weiter nach oben gehen.
Kein Zweifel, wir haben die Komfortzone verlassen. Vieles, was uns bislang selbstverständlich schien, steht aktuell auf dem Prüfstand. Und genau hier wird sich zeigen, ob die Solidarität, die Deutschland als Land, aber dankenswerterweise auch viele Bürgerinnen und Bürger, mit den Menschen in der Ukraine seit Monaten zeigen, den Stresstest überstehen wird.
Ende der Komfortzone
Die indirekten Folgen des Krieges merken wir bereits jetzt an den Zapfsäulen, im Supermarkt und auch auf dem Wohnungsmarkt. Eine Wohnung zu finden, ist aktuell ein wirklich schwieriges und aufwändiges Unterfangen – für jede und jeden. Noch schwieriger wird es, wenn Sie versuchen, Wohnungen für Flüchtende aufzutreiben – seien sie nun aus der Ukraine oder aus Syrien oder aus welchem Land auch immer.
Die Städte und Gemeinden sind in Deutschland zur Unterbringung von Schutzsuchenden gesetzlich verpflichtet. Den Kraftakt von 2015/2016, als es galt, Hunderte von syrischen Flüchtenden unterzubringen, haben wir, auch dank der wirklich bemerkenswerten Unterstützung von Privatpersonen und auch des damals eiligst gegründeten Bündnisses für Flüchtlinge, mit Bravour gemeistert. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine, also seit 24. Februar dieses Jahres, stehen wir erneut in der Verantwortung. Seit jenem Tag haben wir bis heute (Stand 16.8.2022) 94 Ukrainerinnen und Ukrainern Wohnraum zur Verfügung stellen können.
Kamen zu Beginn der Krise viele Geflüchtete privat unter – sei es bei Verwandten, Freunden oder über vermittelte Zimmer in Privatwohnungen, ist das inzwischen anders. Als sich abzeichnete, dass sich die Situation in der Ukraine nicht kurzfristig stabilisieren würde, haben wir auch für diese Personengruppe intensiv nach Wohnraum gesucht. Parallel dazu mussten wir die Geflüchteten unterbringen, die den Kommunen per Quote parallel über die Landesaufnahmestelle in Lebach zugewiesen wurden. Weil bislang unsere Aufrufe und Bitten, freie Wohnungen zur Verfügung zu stellen, gefruchtet haben, konnten wir bis heute die Einrichtung von Sammelunterkünften, wie sie in anderen Bundesländern längst gang und gäbe sind, vermeiden.
Leergefegter Wohnungsmarkt
Jetzt stehen wir allerdings mit dem Rücken sprichwörtlich zur Wand. Aktuell kommen immer weniger Vermieterinnen und Vermieter auf uns zu, auch die Werbeaktionen unsererseits fruchten immer weniger. Kurzum: Während die Zahl der Flüchtenden rasant nach oben geht, geht die Zahl der zur Verfügung stehenden Wohnungen rasant nach unten. Der Wohnungsmarkt ist mehr als leergefegt. Das muss Konsequenzen haben, weil unsere Verpflichtung, die Menschen unterzubringen, auch dann greift, wenn kein Wohnraum mehr auf dem freien Markt zu finden ist. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung lassen trotz der angespannten Lage nichts unversucht, neue Wohnungen zu akquirieren.
All das ist ein immenser Aufwand, der personell abgedeckt und auch finanziert werden muss. Dabei haben wir noch nicht über die weitere Betreuung der Schutzsuchenden gesprochen, die zwar nicht verpflichtende Aufgabe der Kommune ist, der man sich aber stellen muss, will man ein menschliches wie gesellschaftliches Desaster vermeiden. Mein, nein, unser aller Dank, gilt hier allen Engagierten und ganz besonders dem Bündnis für interkulturelles Miteinander, das unter der Federführung von Ruth Kahlert-Barth ebenso segens- wie hilfreich Menschen in schwerster Not die Hilfe zuteil werden lässt, die wir als Kommune schlicht und ergreifend nicht leisten können.
Aber zurück zur Wohnraumthematik: Immer werden wir gefragt, warum nicht dieses oder jenes Haus, leerstehende Hotels oder ähnliche Gebäude angemietet werden können… Seien Sie versichert, wir gehen jedem Hinweis nach! Wir prüfen Gebäude, laden Eigentümer ein, führen Gespräche, nutzen auch private Kontakte. Oft mit Erfolg, oft aber auch mit ernüchterndem Ergebnis: Mal ist kein Eigentümer zu ermitteln, mal der Zustand der Wohnungen völlig indiskutabel. Zudem sind wir als Kommune verschiedenen rechtlichen Restriktionen unterworfen. Will sagen: Wir dürfen nur unter bestimmten Bedingungen, dazu zählt neben der Wirtschaftlichkeit des Angebots auch die Verkehrssicherheit des Objekts, anmieten.
Schulterschluss der Kommunen
All diese Parameter machen die Wohnraumsuche nicht einfacher. Ganz im Gegenteil! Dabei ist es ein schwacher Trost, dass die Wohnraumknappheit im ganzen Land ein Thema ist. Der Landkreis Merzig-Wadern hat nun zusammen mit den Kommunen ein Konzept erarbeitet, das uns über die nächsten Wochen und Monate bringen soll: Dabei setzen die Landkreis-Kommunen nicht auf eine große Notunterkunft, sondern auf dezentrale Sammelunterkünfte, auch und gerade um den Schutzsuchenden die Integration in die sozialen Strukturen vor Ort zu erleichtern. Die dezentrale Struktur hat darüber hinaus noch zwei weitere Vorteile: Es wird versucht, die Objekte so auszuwählen, dass die Einschränkungen für die Vereine, die beispielsweise die Hallen nutzen, auf ein Minimum beschränkt werden können. Vor allem ist aber die Betreuung der Flüchtlinge und die Koordination deutlich einfacher in kleineren als in großen Einheiten zu realisieren.
In jeder Kommune unseres Landkreises soll im Bedarfsfall eine Sammelunterkunft entstehen, in der die Geflüchteten zumindest vorübergehend aufgenommen werden können, wenn eine direkte Unterbringung in Wohnungen nicht mehr möglich ist. Dies ist eine solidarische Lösung innerhalb der Kommunen, bei der untereinander ausgeholfen wird, wenn die durch Quote zugewiesenen Personen gerade nicht aufgenommen werden können. Die Saargauhalle im Merziger Stadtteil Schwemlingen wurde als erste dezentrale Sammelunterkunft hergerichtet. Sie dient als Musterbeispiel.
40 bis 60 Plätze pro Sammelunterkunft
Derzeit beschafft der Landkreis zusätzliche Ausstattungen, damit im Bedarfsfall weitere Sammelunterkünfte eingerichtet werden können. Für jede Kommune ist eine Sammelunterkunft mit 40 bis 60 Plätzen vorgesehen. Das gemeinsame Konzept wird beim Innenministerium vorgelegt, um so die Finanzierung zu sichern.
Für die Stadt Wadern heißt das: Wir müssen ein geeignetes Gebäude zur Verfügung stellen, das für eine geraume Zeit als Sammelunterkunft genutzt werden könnte. Wie trifft man eine solche Entscheidung? Wir haben einen Kriterienkatalog aufgestellt, in dem unter anderem die Möglichkeit, Duschen zu nutzen, das Vorhandensein einer Küche, eine gute Busanbindung, die Nutzungsfrequenz durch Schulen etc. berücksichtigt werden. Auch die Frage, wie eine Halle geheizt wird (Stichwort „Gasknappheit“), spielt hier eine Rolle.
Nach Abwägung all dieser Kriterien haben wir uns für die Schlossberghalle in Büschfeld als mögliche Sammelunterkunft entschieden. Wobei uns auch klar ist, dass gerade in Büschfeld der Solidaritätsgedanke schon im vergangenen Herbst/Winter erheblich strapaziert wurde, als in der Halle innerhalb von wenigen Tagen ein Impfzentrum aus dem Boden gestampft wurde – mit der Konsequenz, dass die Vereine, Clubs und auch das Dorf selbst die Halle nicht nutzen konnten und Ausweichquartiere gefunden werden mussten.
Schwieriger Herbst
Wobei Büschfeld, wenn die Entwicklung denn so kommt, wie sie sich gerade abzeichnet, wahrscheinlich kein Einzelfall bleiben wird. Fachleute gehen davon aus, dass mit dem herannahenden Herbst die Zahl der Flüchtenden deutlich nach oben gehen wird, auch weil in weiten Teilen der Ukraine die Versorgungslage schon aktuell mehr als prekär ist. Mit schlechterer und kälterer Witterung dürfte sich dieser Trend deutlich verschärfen. Sollte dem so sein, könnte sich bei uns die Frage nach weiteren Sammelunterkünften stellen, was nichts anderes heißt, als dass wir weitere Hallen/Gebäude im Stadtgebiet entsprechend herrichten und nutzen müssten. Das will aktuell niemand. Aber es wäre unredlich, nicht auch diese Konsequenz aufzuzeigen.
Wie geht es nun weiter? Nun, wir werden im Schulterschluss mit dem Landkreis und den anderen Kommunen die Lage genau beobachten und alles dafür vorbereiten, im Falle eines Falles eine Sammelunterkunft sehr zeitnah bereitstellen zu können. Gleichzeitig werden wir weiter alles daransetzen, Wohnraum jenseits von Hallen, Bürgerhäusern und Ähnlichem zu akquirieren (siehe Hinweis weiter unten!).
Ich glaube, jeder kann nachvollziehen, dass die Belegung von Hallen, die für Vereinssport, für Veranstaltungen etc. und damit für das dörfliche Leben, für die Gemeinschaft vor Ort, wichtig sind, mit Sammelunterkünften ein sehr schwieriges Thema ist. Das ist es auch für uns. Allerdings sind wir neben der moralischen Verantwortung, Menschen ein Dach über dem Kopf zu gewähren, auch rechtlich dazu verpflichtet, dies zu tun.
Herausforderungen noch und nöcher
Solidarität ist unbequem. Kein Zweifel! Sie beschränkt sich aber auch nicht auf verbale Erklärungen, sondern verlangt praktisches Handeln, Zurückstecken – und auch Opfer. Wie ich es bereits bei Ausbruch des Krieges an dieser Stelle geschrieben habe, kann heute niemand sagen, welche Unbilden die weitere Entwicklung im Osten Europas noch mit sich bringen wird. Die Energiekrise, steigende Zinsen, Rohstoffmangel, Lieferengpässe, all das gehört im Moment zu unserer Wirklichkeit dazu. Und man braucht kein Hellseher zu sein um zu wissen, dass uns all das noch eine ganze Weile begleiten wird.
Insofern werbe ich dafür, diesen sicher nicht leichten Weg gemeinsam zu gehen. Und die Herausforderungen, die sich uns zwangsläufig stellen werden, mit Mut und Tatkraft anzugehen. Sie dürfen indes versichert sein, dass wir Sie über die weitere Entwicklung an dieser Stelle ausführlich auf dem Laufenden halten werden.